Wie wir beim Seniorenmarketing gesehen haben, ist es nicht einfach, Senioren anzusprechen. Der Umweg zu ihnen führt meist über die Themen, für die sich Senioren interessieren. Ich unterscheide drei Bereiche:
Ähnliches gilt auch für Orte, wo man Senioren antreffen kann. Diese zu kennen, kann entscheidend sein, ob ein lokales Angebot erfolgreich ist oder floppt.
Da die Zielgruppe Senioren ein "Moving Target" ist, d.h. sich ständig ändert (Alte sterben weg, Jüngere mit anderer Vorgeschichte kommen nach), wird man kaum eine stets gültige Liste der Themen anbieten können. Es gilt also auch hier: Beobachten und Ausprobieren, was ankommt. Ein gute Fundgrube sind die Thementreffs der Seniorenforen oder für allgemeinere Themen, die Diskussionspunkte der Seniorenräte und anderer Organisationen.
Nicht extra mehr aufgeführt sind hier die Generalthemen Familie (Partner, Kinder, Enkel, auch Haustiere gehören dazu), Pflege (wer sorgt für mich, wenn ich es nicht mehr selbst kann), Wohnen, das Wetter, das für Empfindliche viel wichtiger wird, Preissteigerungen, die Menschen mit geringem, nicht mehr wachsendem Einkommen besonders hart treffen, Haus, Garten und Nachbarn, also das nahe Umfeld, Alltagsprobleme, das tägliche Essen (was gibt es bei dir heute zu Mittag), Religion (werde ich in den Himmel kommen) und leider auch Streitigkeiten, die bei manchen alten Menschen einen großen Raum einnehmen.
Es ist vielleicht ganz nützlich, mit einer Negativliste zu beginnen, um das Prinzip zu verstehen. Alles was sie nicht mehr direkt betrifft, was sie nicht mehr beeinflussen können, was sie nicht mehr verstehen, was sie nicht kennen, wo sie nicht mehr mitkommen, was sie nicht mehr ausüben können, was sie früher zu oft geärgert hat, worunter sie gelitten haben, darüber wird vielleicht noch geredet, aber unter dem Strich ist das Interesse zu gering, um z.B. dafür noch Geld auszugeben.
So wird man nur wenige Senioren finden, die sich für aktuelle Popmusik interessieren, die die Probleme einer Schulreform verstehen wollen, die Methoden für effektives Arbeiten lernen wollen, das alles gehört der Vergangenheit an und ist ein für alle Mal abgehakt. Höchstens, wenn man engen Kontakt zu den Enkelkindern hat, wird das eine oder andere Thema wieder aktuell werden können.
Auch Ereignisse, die geographisch weit weg sind, sind im Allgemeinen weniger interessant, weil man dort ohnehin nie mehr hinkommen wird. Dies erklärt auch, warum so viele Senioren egoistisch wirken. Es ist weniger eine böse Absicht, als eine rationelle Nutzung der noch vorhandenen, aber stets weniger werdenden Ressourcen.
Dinge, die früher ganz wichtig waren, wie das neueste elektronische Gadget, modische Trends und Gags, werden immer uninteressanter. Man weiß, was man braucht und hat auch Angst, das Neue könnte einen überfordern. Man will sich nicht lächerlich machen und scheut die Konkurrenz mit den Jungen.
Interessant für mich ist auch, dass wichtige Lebensabschnitte, wie z.B. frühere Ehen, total aus dem Blickfeld gerückt werden. So ist es vielen Menschen völlig egal, was der Expartner heute macht und es ist nicht ungewöhnlich, dass sie gar nicht mitbekommen, wenn er oder sie stirbt.
Auch die durch Renten und Pensionen erworbene (finanzielle) Sicherheit fördert nicht gerade die Neugierde oder das Risiko. Man hat, was man braucht, es fehlt die Motivation, aus beruflichen Gründen sich weiter zu bilden. "Für mich wird es reichen", das höre ich oft. Man meint damit, das bisher Erworbene (Besitz, wie auch Fähigkeiten) wird bis zum Lebensende genügen.
Dazu wird man auf dieser Internetpräsenz viele Beispiele finden. Ich will daher hier die grundsätzliche Aspekte hervorheben. Die alten Menschen wissen sehr wohl, dass ihr Leben endlich ist und sie wollen die restliche, ihnen noch verbleibende, Zeit gut nützen.
Sie denken auch an den Tod (z.B. an das Testament), was danach sein wird, was mit den Kindern passieren wird, was der Sinn ihres Lebens war, was falsch war, auch was sie versäumt haben, was sie hätten besser machen können. Alle diese Gedanken kommen zwar hoch, werden aber oft auch schnell wieder beiseite gelegt, weil sie belasten und weil es darauf keine wirklich guten Antworten gibt.
Vieles, was sie interessieren müsste, wird also schlicht verdrängt. Dazu gehören auch Gesundheitsthemen, die nicht immer so wichtig sind, wie es uns die Pharmawerbung vorgaukelt.
Es sind die praktischen, die aktuellen, die nahen, die persönlichen Probleme, die sie mehr bewegen werden. Wie komme ich mit dem Geld aus (z.B. was kostet die Gebisssanierung), wie kann ich meinen Alltag abwechslungsreich gestalten (werde ich beim Einkaufen wieder den süßen Hund vom Ladenbesitzer streicheln können), schätze ich meine Leistungsfähigkeit noch richtig ein (werde ich wieder gut an meinen Urlaubsort kommen), das sind die Fragen, die sich alte Menschen tatsächlich stellen.
Natürlich passiert dies nicht schlagartig mit dem Eintritt in den Ruhestand, der Prozess wird langsam ablaufen. Von einer Aktivität auf vielen Gebieten, von vielen Interessen, werden - je nach Leistungsfähigkeit - immer mehr Bereiche aufgegeben. Dem Fortschreiten des Mentalen Alters gehen meist Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit voraus, etwa durch mangelnde Bewegung (z.B. durch die Folgen eines Sturzes).
Am Ende eines langen Lebens wird das Hauptinteresse sein, am nächsten Tag nochmals das Bett verlassen zu können. Ich rede hier gar nicht von der Demenz, die die Lage noch zusätzlich beeinträchtigen wird. Wer bis zu diesem Punkt zustimmen kann, der wird die fatalen Folgen von einem zu frühen Aufgeben der Berufstätigkeit noch besser verstehen.
1. Die Höhepunkte der Vergangenheit werden erinnert.
Berufserfolge
Familienevents
Hochzeit, Geburt der Kinder
Enkelkinder
Dramatische Erlebnisse
Große Reisen, Auswandern, Flucht, Krisen, Krieg
Kultur-, Sport- und andere wichtige Events
Filme, Bücher, Stars vergangener Zeiten aus Musik oder Sport, Olympische Spiele, Attentate
Musik aus der Jugend (12 - 25 Jahre) wird gerne gehört
Memoiren
2. Langfristige Entwicklungen werden beobachtet und kommentiert.
Was war früher besser
Was ist heute schlechter
Wachsendes Interesse an Geschichte
Familienchroniken, Ahnenforschung
Dokumentation
3. Schon erworbene Fähigkeiten werden weiter entwickelt.
Intensive Beschäftigung mit einem Hobby
Garten
Sammlungen
Ehrenämter
Spezialisierung
Suche nach Anerkennung auf neuen Gebieten
Aber Vermeiden von Sachgebieten, wo man sich blamieren kann. Das gilt besonders für Männer und auch deshalb sind oft Frauen aktiver.
4. Versäumtes wird nachgeholt.
Reisen
Die neue Freiheit genießen, solange es geht
Reiseziele
Wissen
Seniorenuniversität
Kunst, Kultur, Literatur
Rege Teilnahme an Vernissagen, Salons, Zirkeln
Was früher verboten, zu gefährlich oder sonst nicht möglich war
5. Die neue Lebenssituation wird bewältigt
Weniger Geld
Neidthemen
Schnäppchenjagd
Dazuverdienen
Rente, Pension
Sicherheit des Vermögens
Angst vor der Zukunft
Viel mehr Zeit
Langeweile, Zeitvertreib, Tratsch, Stammtische
Spazieren, Wandern, Bummeln
Rätsel in jeder Form
Weniger Respekt
Ärger, Schimpfen, Frustration, Aggression
Politisches Engagement
Einsamkeit
Unzufriedenheit mit Passivität
Fernsehprogramm
Jeder Form von Unterhaltung
Trost in der Natur
Haustiere
Zu große Umstellungen
Angst, Verzweiflung
Zu wenig Abwechslung
Langeweile, Isolation
Drastisch verminderte Leistungsfähigkeit
Unzufriedenheit
Sportliche Aktivitäten werden reduziert
Gesundheitliche Probleme
Jammern, Trost suchen
Persönliche Verluste durch Tod
Trauer
5. Hilfe für die Schwachen der Gesellschaft
Armut
Kranke
Kinder
Tiere
6. Bewunderung für die Starken in unserer Gesellschaft
Königshäuser, Adel,
Spitzenpolitiker
Stars, Sieger, Gewinner
Eher ungewöhnlich sind großes Interesse an Zukunftsthemen, an Karriere, speziellen Berufsthemen und technologischem Fortschritt. Auch wird nur selten mit einem wirklich neuen Themengebiet begonnen. Man merkt doch, dass das Lernen sehr viel schwerer fällt und meidet dann diese Bereiche. Viel lieber wird etwas, zumindest schon in Ansätzen Bekanntes, weiter entwickelt.
Enkel
Rente, Pension
Schlechte Zähne
Menschen mit hohem Fernsehkonsum
Schauen sich die Diskussionen auf Phönix an
Menschen ohne Computer
Zahlreiche Ehrungen
Analog - Fotografierer
Chorsänger (in Deutschland)
Häufige Friedhofsbesucher
Menschen, die auf Märkte gehen, ohne dort zu kaufen
Lieben und buchen Führungen
Spaziergänger
Besucher der BUGA (Bundesgartenschau)
Langjährige Parteimitglieder und andere Mitgliedschaften (ADAC)
Tagsüber im Bierzelt
Großes Interesse für Heimatkunde
Besitzer von Campingbussen, 70+, ungebunden, meist als Paar
Reisende, die privat viel unterwegs sind, 60+, oft vermögend
Briefmarkensammler, männlich, 50+, gebildet
Modelleisenbahner (auch hier fehlt es an Nachwuchs)
Jazzliebhaber, überwiegend männlich, 50+
Verwender von Kassettenrecordern, überwiegend weiblich, 70+
Krankheiten, die überwiegend Seniorinnen und Senioren treffen: u.a. Diabetes, Darmkrebs, Sehbehinderungen, Hüftleiden, Knieleiden, Rheuma, Demenz.
Es gibt Orte und Plätze, wo sich Senioren besonders gerne aufhalten. Will man sie ansprechen, dann kann man sie dort bevorzugt treffen. Diese Orte zeichnen sich meistens durch angenehmes Klima (trocken, warm, windgeschützt), gute Infrastruktur (Toiletten, Zeitungen, leichte Erreichbarkeit), Komfort (Ruhe, Sitzmöglichkeiten, Schatten, alles eben), oft auch durch niedriges Preisniveau, aus.
In den Städten sind dies u.a. Cafés, Parks, andere Plätze mit schöner Aussicht, Kinderspielplätze, Museen, Weiterbildungseinrichtungen (wie VHS, in Wien die Urania, in Tübingen das Studium Generale), Sportplätze (Golfplätze, in Italien die Bocciabahnen, in Frankreich die Boulisten), Kirchen und Parteilokale.
Unterwegs findet an sie auf Wanderwegen, Radwegen, Campingplätzen (mit dem eigenen Campingbus), Busreisen, in Billigfliegern, auf Schiffen (vor allem Flusskreuzfahrten), immer weniger in deutschen Zügen.
Seniorentouristen findet man im Winter vor allem in Malta, immer noch in Mallorca, auf Kreta, in der Türkei. Die betuchten Seniorinnen fliegen auf die Kanarischen Inseln.
In Deutschland sind vor allem die Kur- und Bäderorte interessant (perfekte Infrastruktur, z.B. Bad Kissingen), Städte mit hohem Altenanteil (wie Wien, Graz, Berlin) und hoher Sicherheit.
Kultur- und Shopping können Reiseziele darstellen. Klassisches Beispiel für Kultur ist Rom (obwohl es überhaupt nicht seniorenfreundlich ist), vor allem der Vatikan (der hingegen ist erste Sahne, was Seniorenfreundlichkeit anbelangt). Shopping war beim niedrigen Dollar in New York City interessant. Auch das Schnäppchenzentrum Metzingen lebt nur vom Einkaufen im Fabrikverkauf.
Will man als neues Reiseziel für Senioren attraktiv sein, dann muss man zuerst den Ort (das Hotel, das Restaurant, die Bar) seniorenfreundlich gestalten. Dazu findet man auf dieser Internetpräsenz genügend Hinweise. Hat man dies erreicht, dann kann man mit Marketing, Preispolitik, passenden Themen und Zusammenarbeit mit Seniorenorganisationen, den Ort mit Leben füllen. Kundschaft gibt es ja genügend und sie wird immer mehr!
Es ist in diesem Zusammenhang vielleicht ganz nützlich, generell die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen anzuführen. Früher oder später werden viele davon auch Seniorenthemen sein (aus "Die 30 beliebtesten Hobbys", rbb, Juli 2011).
Kochen, Fernsehen, Garten, Tanzen, Sex, Joggen, Sammeln, Schwimmen, Fotografieren, Radfahren, Feiern, Telefonieren, Boot fahren, Shoppen, Grillen, Auto, Vereine, Wintersport, Handarbeit, Kegeln, Rätseln, Heimwerken, Gesellschaftsspiele, Extremsport, Reiten, Angeln, Yoga, Hausmusik, Golf, Modelleisenbahn.
www.seniorenfreundlich.de/senioren-themen.html