seniorenfreundlich.de - Senioren besser verstehen

Eine der häufigsten Planungssünden im Umgang mit alten Menschen ist das Nichtbedenken für das spezielle Verhalten älterer Menschen in Bezug auf Toiletten. Wer mit alten Menschen Geschäfte machen will, sie als Kunden oder Gäste erhalten will, wird schnell massive Probleme bekommen, wenn er hier - meist aus Unkenntnis - keine Rücksicht nimmt.

Ich rede hier gar nicht von speziellen Inkontinenzproblemen, nein, auch schon der gesunde ältere Mensch, egal ob nun Mann oder Frau, wird öfter als junge Menschen eine Toilette aufsuchen müssen.

Kommt dann noch eine spezielle Behandlung dazu, z.B. harntreibende Medikamente gegen hohen Blutdruck, dann erweist sich das Problem im wahrsten Sinne für viele als dringend.

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Ich reise viel herum und ich kann zwei Extrembeispiele für schlechte und für gute Politik in diesem Zusammenhang nennen. Ein Beispiel für misslungene Planung sind die Balnearios auf Mallorca, jene 15 öffentlichen Toilettenanlagen zwischen S'Arenal und Can Pastilla, die nur im Sommer geöffnet sind.

Als häufiger Besucher dieses früher von Senioren sehr geschätzten Landstriches hörte ich oft, besonders von älteren Männern, dass sie nicht mehr hierher fliegen werden, weil es keine offenen, öffentlichen Toiletten gibt. Nun sind diese in Spanien ohnehin rar, weil die Cafes diese Rolle übernehmen. Aber es würde vielen Menschen einfach leichter fallen, eine öffentliche Toilette ohne Konsumationszwang aufzusuchen, als in ein Cafe zu gehen, um dort erneut die Blase wieder aufladen zu müssen. Wenn ich den Rückgang der Wintertouristen auf Mallorca sehe, dann ist dies sicher auch ein Grund dafür.

Das gute Gegenbeispiel ist meine alte Heimatstadt Linz, das sich bei jedem Besuch erneut als sehr seniorenfreundlich erweist. Hier gibt es wirklich genügend WCs, sie sind gut beschildert, werden gut gepflegt und kosten meistens auch nichts. Nicht nur im Zentrum, nein, auch in den Außenbezirken, in fast allen Parks, in den Kaufhäusern sowieso, gibt es sie. Sie haben vernünftige Öffnungszeiten und machen diese Stadt sehr angenehm. Also wer hier ein Vorbild sucht, der ist in Linz an der Donau in Oberösterreich gut aufgehoben.

Gute Beispiele für öffentliche Toiletten findet man auch fast überall in Frankreich. Dort hat man mit den Toilettenautomaten sogar einen Exportschlager gefunden. Vive la France!

Generell sind kostenpflichtige Toiletten seniorenfeindlich, denn sie stören empfindlich das Entleerungsverhalten. Das Argument, dass man den Betrag dann bei der Konsumation abziehen kann, ist fadenscheinig, denn man sollte immer auch nach dem Verzehr (und Bezahlen der Rechnung) die Toilette aufsuchen können. Venedig zeigt, wie man dieses Problem seniorenfreundlich löst. Dort haben ältere Bürger der Stadt Gratis-Eintritt zu den vielen Toiletten, die man für die Unmengen von Touristen bereitgestellt hat. Deutsche Einrichtungen, wie Bahnhöfe oder Autobahnraststätten haben mit dem neuen Personalausweis jetzt die neue Möglichkeit, leicht das Alter zu testen und können Personen (z.B. ab 60 Jahren) so einen kostenfreien Eintritt gestatten.

Pissoir

Pissoir am Hamburger Hauptbahnhof

Über viele Jahre hat man Pissoirs abgebaut, dabei waren diese für die Männer unterwegs ausgesprochen praktisch. Zum Glück besinnen sich einige Städte (z.B. Hamburg) wieder auf diese segensreichen Einrichtungen. Heute spricht für sie, dass sie weniger anfällig für Drogenmissbrauch und sehr preiswert sind.

Wer nicht für genügend Toiletten sorgt, verhindert mit, dass alte Menschen ausreichend trinken. Die Folgen für die Gesundheit sind gravierend, viele Leiden, wie Verstopfung (Obstipation), könnten gelindert oder ganz vermieden werden, wenn genügend Flüssigkeit getrunken wird. Aber wie soll man auf 2 Liter Flüssigkeit täglich kommen, wenn man nicht weiß, wie man sie wieder ausscheiden kann.

Politiker sollten dies bedenken! Senioren sind wichtige Wähler und ihre Gesundheit hilft viel Geld zu sparen!

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Wer Menschen ab 50 als Gäste, Kunden und Besucher gewinnen und halten will, der muss sich um die WCs kümmern. Bei Entscheidungen wird - sicher nicht immer ganz bewusst - die Qualität des Stillen Örtchens eine entscheidende Rolle spielen. Wer diesen Bereich vernachlässigt braucht sich nicht zu wundern, wenn die zahlende Klientel ausbleibt.

Keine Kundentoilette = Keine 60+ Kunden

Andererseits wird das Vorhandensein vieler und angenehmer WCs den Lebensradius alter Menschen groß halten. Es ist also beiden gedient, sich um diesen Tabubereich etwas mehr Gedanken zu machen. Ein Blick nach Japan zeigt, welche Möglichkeiten es für gute Hygiene gibt.

Maximalen Komfort versprechen Dusch-WCs, die inzwischen auch in Deutschland erhältlich sind. Sie werden jeder Toilette einen Hauch von Luxus geben. Und wer will so etwas nicht?

Mir ist übrigens nicht bange, dass bald ein Umdenken passieren wird. Es wird schlicht der kommerzielle Druck sein, der in einer älter werdenden Gesellschaft erfahren lässt, dass ohne öffentliche Toiletten kein Business zu machen ist. Ich denke deshalb auch, ich werde es erleben, dass selbst Discounter, wie Aldi und Lidl, Kundentoiletten anbieten. Wer dies zuerst macht, hat den Konkurrenten schon abgehängt.

Was für Firmen gilt, gilt auch für Städte. Auch sie stehen in Konkurrenz zu einander, wenn es um Seniorentouristen geht. Wer immer nur alte Toiletten schließt oder abbaut, ohne besseren Ersatz zu bieten, vergrämt zuerst und verliert später diese ständig wachsende Klientel. Meist ist eine kurzsichtige Reaktion auf Drogendelikte, die die Städte zu diesem Verhalten motiviert.

Natürlich ist es teuer, gute, neue Toilettenanlagen zu errichten. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Menschliche Basis - Bedürfnisse lassen sich nicht per Dekret abstellen. Ich bin daher bei meinen Beurteilungen über Städte als Touristenziele besonders kritisch, wenn es um öffentliche Toiletten geht.

Die Einheimischen, auch wenn sie schon alt sind, verstehen diese Problematik meist nicht, besonders, wenn sie wenig verreisen. Sie kennen alle Ausweichmöglichkeiten und sie sind auch nicht zu Zeiten unterwegs, an denen es Touristen sind. Wer von den Bewohnern einer Stadt macht schon an einem Sonntagmorgen eine zweistündige Stadtwanderung? Vermutlich keiner, wohl aber jeder Tourist!

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Was sollten nun Planungsverantwortliche, die auch ältere Menschen einbeziehen wollen, bedenken?

1. Die Ausrüstung der Toiletten selbst ist weniger bedeutungsvoll. Fast jede mitteleuropäische Toilette wird die Basisbedürfnisse erfüllen. Die Sitze einer Seniorentoilette sollten nicht allzu niedrig sein. Es muss einen großen Eimer für Inkontinenzwindeln geben. Die Toiletten für die Allgemeinheit sollten immer über mindestens zwei getrennte "Töpfe" verfügen. Schön ist es, wenn Pissoirbecken untereinander durch Trennwände getrennt sind.

2. Viel wichtiger ist das Vorhandensein dieser Seniorentoiletten. Sie müssen gut ausgeschildert sein. Schon am Eingang sollte man erkennen, wo sie sind. Es sollten mindestens zwei vorhanden sein. Alte Menschen mit Harndrang können auch oft die wenigen Minuten nicht mehr warten, bis der Topf frei wird.

3. Bei Veranstaltungen sollten Pausen so gelegt werden, dass man nach längstens einer Stunde bequem eine Toilette aufsuchen kann. Und es sollte sogar möglich sein, dass auch schon in kürzeren Abständen dies möglich ist. Weniger, dass dies wirklich notwendig ist, aber es würde den psychischen Druck wegnehmen. Wer diese biologischen Pausen vergisst, verliert die Menschen als Kunden.

4. Alle Verkehrsmittel, in denen man sich länger als eine Stunde aufhält, müssen über ein WC verfügen. Das gilt bei Zugfahrten auch schon für kürzere Zeiten, weil hier immer noch die Umsteigezeiten dazu kommen. Auch Fernbusse ohne WC sind für alte Menschen ungeeignet. Flugkapitäne sollten behutsamer damit umgehen, dass Toiletten nicht mehr aufgesucht werden können.

5. Bei Autobahnen sind alle 50 km Abstand Toiletten notwendig. Die deutsche Unsitte auf Rastplätzen keine WCs anzubieten, stinkt tatsächlich zum Himmel. Aber auch die Toiletten in Raststätten müssen kostenfrei bleiben. Die wachsende Unsitte, Toilettengebühren zu verlangen, ist ausgesprochen seniorenfeindlich und darf nicht weiter einreißen. Ich boykottiere deshalb diese Raststätten und weiche auf die auch sonst viel angenehmeren Autohöfe aus.

6. Städte müssen nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Vororten öffentliche Toiletten anbieten. Wer es so macht wie Tübingen, wo es weder die einen noch die anderen gibt, muss sich nicht wundern, wenn man nicht mehr wiederkommt. In Grenzorten (wie z.B. Basel) müssen Münzen beider Länder akzeptiert werden. Es ist für Touristen fast unmöglich, sich schon im voraus Münzen fürs Ausland zu besorgen. Es wäre übrigens eine dankenswerte Aufgabe für die EU, neben dem Eurokey, den ein Nichtbehinderter nicht bekommt, europaweit einen Toiletten-Token oder eine moderne Ausweiskarte einzuführen, die überall in der EU akzeptiert werden, egal ob Euroland oder nicht.

7. Kaufhäuser, Restaurants und Hotels bieten meist genügend Toiletten an und beschildern diese auch gut. Aber andere Einrichtungen, wie Museen, Kinos, kleinere Firmen, Behörden und Ämter sind hier oft sehr nachlässig. Es lohnt sich für die Planer hier einmal Testpersonen, die noch nicht die örtlichen Besonderheiten kennen, vorzuschicken und einen 'dringenden Fall' nachspielen zu lassen.

8. Muss man mit Alzheimer Patienten rechnen, dann ist wichtig, dass die Verriegelung der Toilettentür ein bekannter Mechanismus ist oder dass es ganz offensichtlich ist, wie er funktioniert. Ebenso muss der Ausgang aus der Toilette als solcher (von innen) gekennzeichnet sein. Gerade bei Kaufhäusern ist es leicht die Orientierung zu verlieren und es ist zwar nicht gefährlich, dann im Klo eingesperrt zu bleiben, wohl aber unangenehm und leicht zu vermeiden.

9. Wichtig ist auch, dass man von außen unterscheiden kann, ob eine Toilette geschlossen ist, weil sie besetzt ist oder weil sie nicht benützt werden soll. Ist dies unklar, wartet entweder jemand umsonst auf das Öffnen oder der, der die Toilette benutzt, wird durch Rütteln an der Tür bei seinem Geschäft unnötig gestört.

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