Diese neuen Fahrräder brauch ich nicht, haben vor einiger Zeit noch viele Seniorinnen und Senioren in meinem Umfeld gesagt. Und inzwischen fahren sie eins, so ein Pedelec, ein Fahrrad mit Elektroantrieb und sind überwiegend begeistert.
Nun gut, ich lebe in Tübingen, das wie bekannt sehr hügelig ist, da schätzt man schon die Unterstützung am Berg. Aber es gibt weitere Gründe für einen Umstieg. Ich fasse hier zusammen, was mir an Gründen für den Einsatz eines Pedelec genannt wurden
Selbstverständlich gibt es auch Gegenargumente
Aber bevor ich auf Details eingehe, werfen wir zuerst einen Blick auf die Definitionen. Alles was man allgemein zum Pedelec wissen soll, findet man auf der Wikipedia.Oft werden Pedelecs auch E-Bikes genannt. Auf die Unterschiede werde ich hier nicht eingehen. Denn vieles, was hier über ein Pedelec gesagt wird, gilt auch für ein E-Bike.
Kurz gesagt ist ein Pedelec ein Fahrrad mit zusätzlichem Elektromotor und einem Akku, das bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h den Radler beim Treten unterstützt. Man braucht in Deutschland keine extra Versicherung (und damit auch kein Kennzeichen) und es besteht keine Helmpflicht. Beides war wichtig für die Akzeptanz dieses neuen Gefährts.
Aber in der Praxis kennt jeder Pedelec Fahrer die neuen Gefahren durch die höhere Geschwindigkeit, die für andere Verkehrsteilnehmer (wie Fußgänger) immer noch sehr überraschend und damit gefährlich sein kann und trägt auch einen Helm.
Auch unterscheidet sich ein Pedelec in Details sehr stark von einem normalen Fahrrad. Es ist wesentlich komplizierter in der Technik. Bei einem Fahrrad kann jeder etwas Geübte mit wenig Werkzeug fast alle Reparaturen selbst durchführen, auch fernab einer professionellen Werkstatt. Viele Bauteile sind genormt und untereinander austauschbar. Ein Pedelec hingegen braucht selbst für die Wartung Spezialisten, gar nicht zu reden von eventuellen Reparaturen. Selbst ein platter Reifen an einem Hinterrad kann zum unüberwindbaren Problem werden. Also ohne Pedelec Werkstätte in greifbarer Nähe geht es (noch) nicht und wer auf Reisen geht, nimmt sich besser die Telefonnummer seines Mechanikers mit.
Übrigens, ohne Akku hat eine neueres Pedelec keine eigene Beleuchtung mehr, selbst wenn man es nur als (schweres) Fahrrad einsetzt und durch eigenes Treten weiterkommen kann! Denn der Strom für das Licht kommt bei neueren Pedelecs nur vom Akku und nicht mehr von einem Dynamo.
Da Pedelec Fahrer wesentlich größere Distanzen zurücklegen, sollte man auf beste Bereifung achten. Die Kosten für pannensichere Reifen und Schläuche sind eher gering, im Vergleich zu den Problemen, die Pannen abseits einer Werkstätte (vor allem im Ausland) verursachen.
Generell gilt, je mehr Geld man ausgibt, desto mehr bekommt man auch dafür. Doch die Menschen und Umstände sind sehr verschieden. Aber alle Senioren, die ich kenne und die in letzter Zeit eins gekauft haben, haben sich für ein Pedelec mit tiefem Durchstieg entschieden und sie wollen aufrecht sitzen. Stiftung Warentest Testsieger 2016 war der Flyer B8.1
Mein Tipp: Zu einem lokalen Radhändler gehen, der schon länger Erfahrungen mit Pedelecs hat, sich von ihm persönlich beraten lassen, eine Probefahrt machen, sich zeigen lassen, wie man den Akku entfernt und behandelt und dann das Pedelec auch bei ihm kaufen. Bei der Probefahrt sollte eine kräftige Steigung (10%) dabei sein, erst dann wird der Motor richtig gefordert.
Fachhändler am Ort?
Erfahrener Hersteller?
Probefahrt mit starker Steigung?
Tiefer Einstieg?
Mittelmotor?
Nabenschaltung?
Hydraulische Bremsen?
Pannensichere Bereifung?
Schiebehilfe?
Hinterradbremse an der rechten Hand?
Ich habe hier ein Rad der Oberklasse ausgesucht. Es kostet so um die 3600 Euro.
Als erstes fällt das hohe Gewicht auf, selbst nackt, das heißt ohne (meist schweres) solides Schloss, ohne Ladegerät und ohne Gepäcktaschen. Wer also oft mit der Bahn damit reisen will, muss stark sein oder wenn zwei gemeinsam fahren, dann kann es sein, dass sie sich helfen müssen.
Der Bosch Motor ist fest im Tretlager eingebaut, der Akku abnehmbar, damit er in der Wohnung aufgeladen werden kann. Im Hinterrad ist eine Nabenschaltung, damit wird das Fahren etwas zuverlässiger, weil keine Kette springen kann und man kann eine stabilere Kette verwenden.
Als Bremsen werden hier Scheibenbremsen eingesetzt. Sie sind wegen der viel besseren Bremswirkung notwendig. Das heißt der Kraftfluss beim Bremsen geht über die Speichen! Sie müssen deshalb wesentlich mehr aushalten, als bei einem Rad mit Felgenbremsen, wo der Kraftfluss von Bremse zum Boden über die stabileren Felgen läuft. Bremsen scheinen wegen der erreichbaren hohen Geschwindigkeiten und des höheren Gewichtes eine kritische Komponente zu sein, die besser etwas überdimensioniert, als zu schwach ist. Ich selbst - als gemütlicher Fahrer - bevorzuge Hydraulik Felgenbremsen. Gerissene Speichen beenden eine Tour!
Der Lenker ist dicht bepackt. Zusätzlich enthält er ein (meist abnehmbares) Paneel (in der Mitte), mit dem die Motorfunktionen gesteuert werden. Generell verlaufen bei einem Pedelec mehr Kabel, damit die Daten von Sensoren übertragen werden können. Sie zeigen z.B. an, ob mechanisch gebremst wird.
Der 36 Volt Akku kann etwa 500 mal aufgeladen werden. Das ist nicht viel, wenn man das Pedelec sehr häufig (z.B. gewerblich) einsetzt. Und der Ersatz ist teuer! Die Stromkosten sind eher gering.
Das Umsteigen von einem Fahrrad auf ein Pedelec ist nicht schwer. Die Grundelemente des Rad fahrens, wie Balance halten etc. bleiben gleich. Auch die Sitzposition ist gleich. Gewöhnen muss man sich an das sofortige Anfahren, wenn der Motor eingeschaltet ist und man zu treten beginnt.
Problematisch für Senioren können das Auf- und Absteigen werden, weil die Pedelecs doch schwerer sind, als ein Rad. Auch bei einem Pedelec ist daher zu überlegen, ob man nicht auch als Senior ein Damen Modell (mit tiefem Durchstieg) wählt, mit dem man leichter absteigen kann! Der Preis dafür ist aber auch hier eine etwas schlechtere Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten. Und eine Schiebehilfe sollte jedes Senioren-Pedelec haben.
Pedelecs haben die Praxis des Radfahrens stark verändert. Steigungen sind keine Hindernisse mehr, Gegenwind ist vielleicht lästig, aber kein Grund mehr, eine Tour nicht zu fahren. Trotzdem gelten viele Erfahrungen des Radfahrens, zum Beispiel, dass man Seen im Uhrzeigersinn umfährt, weil man dann bei den Zufahrten zum See nicht die Straße überqueren muss oder dass grelle Kleidung hilft, dass man besser gesehen wird.
Der Aktionsradius (die Reichweite) ist stark angestiegen, bis zu 150 km am Stück. Diese Entfernungen konnten früher nur Radprofis zurücklegen, heute schaffen das auch Rentner. Dadurch ergeben sich aber auch neue Probleme. Zum Beispiel, wie kommt man wieder zurück oder ans Ziel, wenn mit dem Rad Probleme auftreten oder wenn sich das Wetter verschlechtert?
Gemischte Gruppen - Pedelecs und Radler - harmonieren nicht. Die Radler müssten schon sehr fit sein, wollen sie mithalten. Also werden Gruppen von Pedelec Fahrern zusammen finden. Sie müssen aber nun mehr auf Abstände achten, weil sie insgesamt schneller unterwegs sind. Wer zu schnell fährt, läuft auch Gefahr nicht genügend von der Landschaft zu sehen.
Viele Radwege sind nicht für schnelle Radler geeignet. Wer also Radwege plant oder baut, muss in Zukunft anders denken als bisher.
Städte sollten sich rechtzeitig auf die zunehmende Anzahl von Pedelec Touristen einstellen. Absolut notwendig sind absperrbare Boxen, damit sich die Touristen entspannt einem Stadtbummel widmen können und dabei ihre kostbaren Pedelcs (samt Gepäck) in sicheren Händen wissen.
Die Bekleidung für Pedelecfahrer wird sich etwas anpassen. Alles, was dem Sitzkomfort und der Sicherheit (gute Sichtbarkeit) dient, wird bleiben, aber andere Aspekte, wie Schweiß aufsaugen, geringstes Gewicht, werden an Bedeutung verlieren!
Es wird noch lange Zeit dauern, bis sich alle Verkehrsteilnehmer an die schnelleren Pedelecs gewohnt haben. Damit steigt natürlich auch die Unfallgefahr. Es ist daher ratsam, mindestens zu zweit unterwegs zu sein, damit bei einem Problemfall leichter jemand Hilfe holen kann. Noch immer sind viele Routen (z.B. durch Wälder) ohne Handy-Empfang. Man kann sich also nicht darauf verlassen, dass man mit dem Handy um Hilfe rufen kann! Das ist auch schon bei normalen Rädern unangenehm, aber besonders problematisch, wenn man ein viel schwereres Pedelec bewegen muss.
Je teurer das Rad, desto schmerzlicher ist sein Diebstahl. Man wird also dem Schloss beim Pedelec mehr Augenmerk schenken, als bei einem Rad. Dies ist auch der Grund, warum viele auch nach dem Kauf eines Pedelecs ihr altes Rad behalten und es für kurze Fahrten (zum Beispiel zum Bahnhof) weiterhin einsetzen.
Meine Beobachtung zu den Senioren, die ein Pedelec haben. Sie wollen es nicht mehr weggeben. Es wird mehr gefahren, der Aktionsradius wird größer, man hat mehr Freiheit bei der Wahl der Ziele, die Menschen werden und bleiben mobiler. Im Alter macht Bewegung fit, nicht unbedingt die Anstrengung, die kann sogar von der Bewegung abhalten. Wer Pedelecs vernünftig einsetzt und immer noch auf Sicherheit achtet, gewinnt an Lebensqualität.
www.seniorenfreundlich.de/pedelec.html