Wie oft höre ich den Satz "Ich würde dies ja gerne machen, wenn ich nur den passenden Partner dazu hätte" oder "Ich finde niemanden, mit dem ich dies und das machen könnte". Nicht nur alte Menschen sagen es, auch junge Menschen klagen über passende Gesellschaft oder mangelnde Kontakte, aber sie finden dann doch leichter eine Lösung.
Wahrscheinlich ist es unsere lange Lebenserfahrung, die das größte Hindernis im Finden geeigneter Kontakte ist. Eigentlich sollte es gerade umgekehrt sein, unsere Lebenserfahrung sollte doch aus uns allen wahre Kontaktexperten gemacht haben.
Aber Todesfälle, Scheidungen, manche Konflikte innerhalb der Familie, z.B. mit den Schwiegerkindern, haben uns den Schwung genommen. Manche sind verbittert geworden, vermeiden sogar die Kontakte zu den Nachbarn, brechen bewusst Kontakte zu Freunden ab, weil sie sich hintergangen fühlen.
Manche fühlen sich einfach zuhause am wohlsten, gehen nicht mehr so oft aus dem Hause und spüren so gar nicht die "schleichende Einsamkeit", die sie schon längst eingefangen hat. Natürlich könnte hier der "Ideale-Partner" dies alles ändern, aber leider gibt es diese nicht.
Das MehrgenerationencafeIch trinke fast täglich in einer italienischen Bar meinen Kaffee. Die Kinderfreundlichkeit des Besitzers hat daraus einen Treffpunkt der Generationen gemacht. Für junge Mütter mit ihren Kindern im Vorkindergartenalter wurde es zum Treffpunkt, weil man dort Windeln wechseln konnte. Es gibt für die Kleinsten einen "Kindercappuccino", d.h. etwas Milchschaum in einer Mokkatasse mit Kakaopulver drauf. Kleinkinder und Senioren reden und spielen miteinander, manchmal gehen sie auch zusammen zum nahen Spielplatz und die Mütter genießen es, dass der Nachwuchs für einige Minuten nicht an ihnen zerrt. Dies alles passiert ohne Organisation, nur durch persönliche Kontakte, mit einem freundlichen Wirt, an einem rauchfreien Ort. Sehr empfehlenswert und kann überall nachgemacht werden, wo man sich gut kennt! |
Krankheiten und Schmerzen haben uns empfindlich gemacht, vielleicht zu empfindlich, um erfreuliche Kontakte zu haben oder um Unterhaltung zu genießen. Die "Liste der Arschlöcher, mit denen ich nichts mehr zu tun haben will", wird erschreckend lange. Der Sex klappt nicht mehr so wie früher, Männer werden impotent, Frauen finden sich nicht mehr so attraktiv.
So kommen viele Alte zu dem Schluss, dass es für sie besser ist, alleine zu leben, als mit dem Partnern, die sich für sie noch anbieten. Für manche wird dies auch stimmen, aber sicher nicht für alle!
Mit einigen wichtigen Lernprozessen und Einsichten will hier weiterhelfen. Sie mögen zu abstrakt erscheinen und sie sind sicherlich auch nicht perfekt zu realisieren, aber oft hilft es auch schon den Ansatz zu erkennen, damit man besser mit den Situationen zurecht kommt.
1. Erwarte nichts von den Kindern. Sie sind inzwischen groß und selbständig, haben ihre eigenen Probleme, in die du dich besser nicht einmischst. Denn damit hilfst du nur selten, sondern schadest u.U. nur. Dein Geld würden sie zwar gerne haben wollen, aber deine Gesellschaft ist nicht immer so willkommen, wie du es dir vorstellst. Sich nur auf die Kinder zu konzentrieren wird dich einsam machen.
2. Ein Partner oder ein Freund alleine wird nicht genügen. Um nicht alleine zu sein, bedarf es besonders im Alter eines Netzwerks. Selbst in guten Ehen wird ein Partner überfordert sein, alle Ansprüche seines Gegenübers zu erfüllen. Man darf nicht vergessen, dass früher die Berufskollegen viele wichtige Rollen gespielt haben und diese Kontakte jetzt wegfallen. Also muss eher in Netzwerken, als in Partnerschaften gedacht werden. Auch werden Partner im Alter durch Krankheiten oder sogar Todesfälle eher ausfallen, auch dies spricht für die soziale Absicherung durch mehrere Kontakte.
3. Nähe ist besonders wichtig. Sicherlich kann man heute durch das Telefon oder das Internet auch mit weit entfernten Menschen guten Kontakt halten, aber wer schaut nach, wenn man nach einem Sturz auf dem Boden liegt und nicht mehr das Telefon erreicht? Freundliche Menschen in der Nachbarschaft sind deshalb besonders wichtig, denn nur durch sie kann man leicht die persönlichen Kontakte pflegen, die man täglich brauchen wird.
4. Gesellschaft ist wichtiger als Sex. Während in jungen Jahren Partnerschaften fast immer von sexuellen Interessen bestimmt werden, werden im Alter andere Interessen mindestens genau so wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Ich schätze, dass nette, unterhaltsame Gesellschaft, informative Gespräche, angenehme Reisebegleitung, Zuverlässigkeit bei Verabredungen, Ehrlichkeit oder Loyalität einige entscheidende Faktoren sind. Für andere Menschen werden andere Kriterien zusätzlich wichtig sein. Wer sich also nur auf äußere Attraktivität bei der Wahl seiner Kontakte festlegt, trifft vielleicht die falschen Entscheidungen.
5. Nette Gesellschaft kann man z.T. auch kaufen. Wer im Alter noch Geld hat, sollte es für die Lösung seiner Probleme auch ausgeben. Geld ist immer attraktiv und kann für gute Gesellschaft sorgen. Nicht so vordergründig, dass man damit die "Zuneigung" von Menschen kauft, wie es viele Kontaktanzeigen suggerieren, sondern z.B. durch die Finanzierung von Projekten, die nette Gesellschaft versprechen, Anerkennung bieten oder einfach das Leben bunter und abwechslungsreicher machen.
6. Kontakte mit ausschließlich Gleichaltrigen werden im Alter zum großen Problem. Wer das Glück (oder Pech) hat, sehr gesund zu sein, wird dadurch sehr einsam werden. Wie bei allen anderen Gruppen auch ist eine gemischte Altersstruktur seiner Kontakte die bessere Altersversicherung.
7. Haustiere können gerade im Alter das Leben sehr viel angenehmer werden lassen. Hunde für noch aktive Menschen und Katzen für Menschen, die lieber im Hause bleiben.
Menschen, die "mental alt" ist, streiten gerne und haben oft ihre Freundlichkeit verloren. Sie sind an Neuem nicht mehr interessiert, wollen immer Recht haben und sind kaum noch lernfähig. Sie reden zu viel und tun zu wenig. Alle dies ist nicht gut für Kontakte.
Die meisten der hier erwähnten Probleme hätten wir nicht, wenn es auch heute noch Grossfamilien gäbe. Aber Wohlstand, Mobilität, der Drang nach Selbstentfaltung und Freiheit haben sie aussterben lassen. Vielleicht aber gibt es neue Lebensformen, die trotzdem die Vorteile von Großfamilien bieten, ohne dass alle miteinander verwandt sind.
Henning Scherf gibt in seinem Buch Grau ist bunt gute Anregungen, wie man, entsprechenden Wohlstand vorausgesetzt, sich auch beim Alleineleben gut vernetzen kann. Wichtig sind institutionalisierte Hilfe (wie "einer kocht, alle kommen zum Essen"), gemeinsame Projekte und Interessen, regelmäßige, gemeinsame Aktivitäten und gemeinsamer Bekanntenkreis.
Hat man genügend Vertrauen, dass man die Schlüssel austauscht (und man so im Notfall in der Wohnung nachschauen kann), dass man auch die Freunde und Kinder der Nachbarn kennt und weiß, wie man sie informieren kann, eventuell das Auto teilt oder gemeinsame Ausflüge oder Urlaubsreisen unternimmt, dann wird man sich sehr sicher in seinem sozialen Netz fühlen.
Die Frage nach der Gesellschaft im Alter wird von vielen Organisationen aufgenommen und es werden auch viele verschiedene Lösungen angeboten. Oft muss man nur den ersten Schritt machen, sich etwas informieren und dann vielleicht einfach versuchsweise teilnehmen.
Auch wenn einige dieser Organisationen den Kontakt zu den Alten suchen, um damit selbst einen Nutzen zu haben, z.B. sie als Wähler zu gewinnen, so sind sie meist doch eine ganz brauchbare Alternative. Gerade mit Gleichgesinnten wird man leichter die viele Zeit, die man hat, besser nutzen können.
Ich selbst habe viel Freude mit meinem Stammcafe gefunden. Dort treffen sich nicht nur Alte, sondern auch Junge, es kommt immer wieder zu neuen Kontakten, ich kann gratis Zeitungen lesen und mich mich mit anderen austauschen. Und gehen mir die Kontakte auf die Nerven, dann kann ich auch wegbleiben.
Sie sind das Kommunikationsmedium der Jungen. Weltweit am beliebtesten ist Facebook, wo ich auch Mitglied war, aber ich bin dann 2011 zu Google+ gewechselt und habe es nicht bereut.
Was ich an Social Networks schätze, das sind die einfachen, internationalen Kontakte. Viele meiner ehemaligen Arbeitskollegen in den USA sind dort und ich bekomme so einen guten Eindruck ihrer Aktivitäten. Gleichaltrige Deutsche treffe ich noch wenige an, aber das wird sich sicherlich ändern. Nett sind auch die Videokonferenzen mit den Enkelkindern.
Social Networks via Internet werden allerdings für Senioren lange nicht die Rolle spielen, wie für junge Erwachsene, die offenbar ohne sie nicht mehr leben können. Ältere haben andere Bedürfnisse, sie wollen vor allem auch persönliche Kontakte und sie sind nicht so ehrgeizig, Hunderte von "Freunden" anzuhäufen. Einige wenige, aber zuverlässige und erreichbar, sind für sie weit wichtiger.
So richtig überzeugt bin ich nicht mehr, dass Social Networks die Zukunft des Internets sein sollen. Sie sind - wir jeder andere Klatsch auch - ein netter Zeitvertreib, für manche sicher auch eine große Versuchung, kostbare Zeit zu vernichten. Wer als Senior sich dort nicht anmeldet, hat bisher nicht allzuviel versäumt.
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